Bei uns ist das halt manchmal ein wenig anders als bei gleichaltrigen Gesellen. Unser Tagesablauf beinhaltet teilweise verschwimmende Grenzen, selten was Geregeltes und trotzdem arbeiten wir wahrscheinlich mehr als viele andere in unserem Alter.

Gestern erst haben wir unser erstes Konzert in Luxemburg gespielt. Aufstehen, Zähne putzen und auf die Bühne zum Soundcheck. Es folgt ein mühselig zu Magen gebrachtes Frühstück. Die Medienpartner fragen, ob sich mittlerweile was geändert hat, ob Gunnar es schon getan hat oder warum wir Echt heißen. Wenn die Zeit es zulässt, treten wir an die Fans heran und befriedigen Autogrammwünsche. Währenddessen spielen auf der Bühne Bands, die zwar toll tanzen, toll aussehen und vielleicht toll Triangel spielen. Die Nacht haben wir in einem Nightliner verbracht – ein Bus mit Betten, Fernsehern, Waschmaschinen und eigener Hauptstadt.

Dresden steht auf dem Plan. Dresden heißt Abwechslung und ein Line-up mit Seltenheitswert. Wir spielen heute auf einer Bühne mit Sportfreunde Stiller und Kungfu. Auch wenn man es sich nicht so vorstellen kann: Wir sind auch mal Fans und können unsere umso besser verstehen. Zwar ist der Großteil des Publikums unseretwegen angereist, dennoch haben wir keine Lust uns die Konzerte aus dem Backstage-Raum anzusehen. Puffi, Gunnar und ich beschließen, uns unters Volk zu mischen, verkleiden uns, werden aber schon nach einigen Augenblicken erkannt. Puffi und Gunnar verschwinden in den hinteren Teil des Geländes. Ich allerdings begebe mich nun erst recht in die Höhle des Löwen – ab in die erste Reihe! Zwar gibt es auch hier keinen Zweifel an meiner Identität, aber die Leute reagieren wesentlich cooler. Ich tanze, singe, schreie und lasse mich unter Einfluss meiner körpereigenen Drogen dazu hinreißen, auf Händen durch die Reihen getragen zu werden. Sich zwischendurch auf die eigenen Wurzeln zu besinnen, hat nichts mit aufgesetzter Identitätswahrung zu tun. Vielmehr ist es Ausdruck meiner Bedürfnisse, und die lasse ich mir auch nicht von unserer Position in der Öffentlichkeit streitig machen.

Datum: 18.08.2000
Erscheinungsort: Hamburger Morgenpost