Die fünf sympathischen Deutschen über ihr neues Album, Songwriting, Rauchen, Alkohol, Bravo, ihr Image als Teenieband und das Erwachsen werden.

Euer neues Album „Recorder“ ist vor kurzem erschienen. Ich habe gelesen, dass es das erste Album ist, das Ihr komplett selbst geschrieben habt. War das eine große Herausforderung?
Flo: Nein, eigentlich keine große Herausforderung. Ich würde eher sagen, eine Entwicklung. Wir haben damit ja schon vor einiger Zeit angefangen. Am ersten Album war es noch ziemlich wenig, beim zweiten dann schon ein bisschen mehr als die Hälfte. Wir haben uns das jetzt nicht so auf die Stirn tätowiert mit einem riesigen Ausrufezeichen, das hat sich einfach so ergeben und wir wollten das auch.
Gunnar: Wir hatten uns das auch irgendwie als Ziel gesetzt und haben uns gedacht, dass wir jetzt so weit sein könnten, das auch hinzukriegen. Und es hat ja auch geklappt.

Was mir bei Eurem Album sofort aufgefallen ist, es ist extrem abwechslungsreich. So groovig kennt man „Echt“ bisher gar nicht… Vielleicht hängt das ja damit zusammen, dass Ihr das Album in England aufgenommen habt. Warum gerade England?
Flo: Es ging dabei nicht wirklich um England, sondern eher um weg von Deutschland. Wir waren dort in so einem Waldstück, total auf uns gestellt. Wir wollten irgendwo sein, wo es ruhig ist, wo wir uns ohne jegliche Ablenkung darauf konzentrieren konnten, was wir uns für dieses Album vorgenommen haben.
Puffi: Und wo wir Tennisspielen konnten.
Flo: Stimmt, das konnte man dort auch.
Seid Ihr etwa Tennisfreaks?
Flo: Nein, das war jetzt so ein kleiner Insider-Scherz… Aber einen Tennisplatz gab es dort wirklich!
Puffi: Wir haben einmal gespielt, nicht?
Flo: Ich hab öfters gespielt, aber ganz schön Scheiße… Aber wenigstens kann ich die Regeln jetzt ein bisschen… Aber – wir waren ja eigentlich beim neuen Album…

Richtig, dann machen wir dort auch weiter! Auf dem Album gibt es die Nummer „Du bist nicht echt“. Habt Ihr die für jemand Speziellen geschrieben?
Kim: Ich glaube, die Leute, die wir damit ansprechen wollen, werden das gar nicht kapieren.
Puffi: Im Grunde ist es so gegen Vorzeige-Coole gerichtet.
Flo: Irgendwie haben wir so das Gefühl, dass es unter den jüngeren Menschen – das kann man ja eigentlich nicht so pauschal sagen und ich weiß auch nicht, ob das überall so zutrifft – aber dass es unter den Jüngeren so eine aus Amerika übernommene, aufgesetzte Ghetto-Mentalität gibt. Wir finden halt, es gibt keinen Grund jeden Tag so eine Fresse zu ziehen und auf Ghetto zu machen.
Kim: I’m real. Das ist so dieses „Ich bin anders, ich bin echt.“ Ihr seid alle, was weiß ich, aber ich bin’s und ich bin anders. Echt.
Flo: Wir wussten bei dem Lied nicht, ob wir es mit auf das Album nehmen sollen, weil, das war von uns eigentlich eher lustig gemeint, nicht wirklich ernsthaft und sollte so ein bisschen Musicalcharakter bekommen. Das war so als Spaß gemeint und am Ende wurde es ein echt guter Song, also haben wir ihn mit aufs Album genommen.

Auf diesem Album hört man auch einen ganz starken „Selig“-Einfluss. Sind „Selig“ Vorbilder von Euch?
Kim: Wir haben bei den ersten beiden Alben eigentlich mehr „Selig“ gehört. Wir sind auf jeden Fall von ihnen beeinflusst. Gar nicht unbedingt bei diesem Album, sondern generell. Die sind aber viel rockiger als wir, viel lauter, haben eine ganz andere Energie. Ich finde es auf jeden Fall nett, wenn Leute uns vergleichen.
Flo: Deutscher Rock kann leicht peinlich werden, das kann schnell zu Schweine-Rock werden. Für uns waren Selig so die ersten, die diesen Drahtseilakt geschafft haben, dass es eben nicht peinlich wird. Wir haben uns natürlich nicht vorgenommen so zu werden wie Selig, aber wir passen auch auf, dass unsere Musik nicht peinlich wird. Diesen Gedanken haben wir von ihnen übernommen. Und außerdem haben wir den gleichen Produzenten wie sie – ist wahrscheinlich auch nicht unwesentlich.
(Flo raucht sich eine Zigarette an.)
Kim: Das hab ich genau gesehen.
Flo: Ich weiß, ist ja auch nicht zu übersehen.

Ist das Rauchen bei Euch ein Streitthema?
Flo: Naja, im Proberaum haben wir ja so ein kleines Fenster, das man dann aufmachen kann, aber hier im Interviewraum geht das halt nicht.

Bist Du der einzige Raucher bei „Echt“?
Flo:Ja, schon. Nein, Gunnar ist auch so ein bisschen miteingestiegen. Und Kai auch. Die rauchen jetzt nicht so viel wie ich, aber jeder der regelmäßig raucht, ist Raucher.
Kim: Auch jeder, der jeden Abend trinkt, ist Trinker. Wenn Du einmal die Woche betrunken bist, bist Du regelmäßiger Trinker. Da kann man sich nicht selbst belügen. Und weißt Du, wie viele Menschen das machen? Alkohol ist DIE Droge. Das wissen wir doch, Alkohol holt aus den Menschen nicht den friedlichen Menschen heraus. Man wird dadurch nicht extrem friedlich und entspannt. Es hängt schon davon ab, was Du trinkst, aber da kommt es dann meistens zu Krawallen, zu Aggression und auch mal zu großer Freude, aber immer eher extrovertiert. Alkohol wirkt immer mehr nach außen. Wenn das die Volksdroge ist, dann haben wir uns meiner Meinung nach das falsche ausgesucht! Es ist ja auch die einzige legale Droge. Und trotzdem so gefährlich. Da kannst Du sofort sterben dran. Ich hab noch nie jemanden erlebt, der an einem Joint gestorben ist.
Puffi: Ich finde, man sollte auf Alkoholflaschen das gleiche draufschreiben, wie auf Zigarettenpackungen, nämlich dass es gesundheitsgefährdend ist.
Kim: Oder das Alkohol eine extrem hohe Suchtgefahr hat.
Flo: Ich finde, Alkohol und Marihuana sind ganz tolle Sachen.
Kim: Ich finde Alkohol nicht so gut. Ich finde, man sollte den Alkoholkonsum verringern, aber das ist illusorisch. Das ist so, als würde man sagen, wir machen unsere Ozonschicht kaputt, wir fahren jetzt alle weniger Auto. Das wird auch nicht passieren.
Flo: Und man sollte Bierwerbung abschaffen. Jede zweite Sendung wird von irgendeinem Bier präsentiert und wenn Du jeden Abend beim Fernsehen drei Buddeln Bier trinkst, dann bist Du eigentlich schon mitten drinnen. Zigarettenwerbung haben sie ja auch irgendwann verboten.
Kim: Das Schlimme ist ja, dass Du Dich selber ausschalten kannst. Du kannst so viel trinken, dass Du lebst und da bist und aktiv bist, aber Dich nicht mehr erinnern kannst!

Ihr klingt irgendwie ganz schön abgeklärt. Klingt so, als hättet Ihr schon einen Haufen Erfahrungen gemacht.
Kim: Mit dem Saufen? Klar, hat doch jeder schon. Die Kids mit Elf sitzen auf irgendeinem Baum und hauen sich Apfelkorn rein.
Flo: Ach komm, wir waren genauso und das war doch die beste Zeit damals. Ich verbinde damit schon gute Erinnerungen.
Kim: Ich ja auch, man kann den Alkohol ja auch so schön benutzen, wenn man weiß, wie er wirkt. Man will singen…
Flo:… und man verspürt den Drang sich in der Öffentlichkeit auszuziehen. Aber es sollte halt draufstehen, dass es gefährlich ist, damit man ein Bewusstsein dafür entwickelt. Wenn man sich vor ein paar Jahren als Kind eine Schachtel Zigaretten geholt hat, hat man sich das ja auch noch alles genau durchgelesen, was da drauf stand.
Gunnar: Als Kind?

Das Ärgste sind meiner Meinung nach ja die Schokoladezigaretten für Kinder im Supermarkt.
Gunnar: Die sollten echt verboten werden.
Flo: Ja, und außerdem schmeckt die Schokolade da drinnen sowieso furchtbar.
Kim: Einfach ein bisschen mehr Bewusstsein für die deutsche Volksdroge.

Wenn wir schon bei diesem Thema sind: Habt Ihr das Gefühl, dass Ihr bei einer breiteren Masse eine Bewusstseinsveränderung bewirken könnt? Oder wollt Ihr das gar nicht?
Flo: Ich glaube, dafür legen wir zu viel Wert darauf, dass jeder seine Erfahrungen macht, weil einfach eine Sache zu wissen, bringt Dir nichts.
Kim: Es ist sinnlos, jemanden vor etwas bewahren zu wollen, das dieser nicht kennt. Wenn ich jemandem, der noch nie Alkohol getrunken hat, erzähle, was Alkohol für Folgen haben kann, wird es das nie so richtig verstehen können und Du wirst ihn nie davor bewahren können, Alkohol zu trinken.
Flo: Ich würde auch nie jemanden davor bewahren wollen.
Kim: Es ist für den Einstieg ja auch wichtig, wie man anfängt zu trinken.
Flo: Schön gemütlich, mit ein paar Freunden, heimlich, wenn die Eltern nicht da sind.
Puffi: Vielleicht irgendwo draußen.
Kim: Also, ich lebe da das Prinzip, dass ich die Welt bin. Und wenn sich etwas bei mir ändert, dann ist das in Ordnung. Also, ich bin natürlich nicht die Welt, nicht falsch zu verstehen. Jeder ist einfach seine eigene Welt und sein eigenes Sein.

Das ist eine schöne Art die Welt zu sehen, nur steht es halt auch außer Frage, dass, wenn ein neun-jähriges Mädchen die Bravo aufschlägt und als Fan liest, „Echt machen oder sagen dies und jenes“, das eine Wirkung auf das Mädchen haben wird.
Flo: Aber genau dieses selber ausprobieren, betonen wir ja auch immer. Wir sagen in unseren Interviews immer, dass wir vielleicht ganz witzige Typen sind oder vielleicht auch cool, aber dass jeder sein eigenes Ding machen soll und seine eigenen Sachen.
Kim: Wenn man da in die Extreme geht: es kommt ja kein Deutscher auf die Idee, einen Ausländer zu töten, nur weil er „Böhse Onkelz“ hört oder weil er ein Interview von denen gelesen hat. Das hat ja ganz andere Ursachen. Er liest den Artikel von denen, weil das ihm entspricht. Jemand der mal einen Joint raucht, kommt sicher nicht deshalb dazu, weil er mal in einem Interview gehört oder irgendwo gelesen hat, dass „Echt“ mal einen Joint geraucht haben. Vielleicht unterstützt es das, vielleicht schreckt es auch jemanden ab. Das weiß man nie.
Flo: Wir sagen ja auch nicht, dass Trinken super ist. Ihr sollt trinken! Nein, nein. Wir sagen ja nur, dass wir schon mal zwei, drei, vier getrunken haben.

In der Bravo habe ich sowieso immer das Gefühl, dass dort immer so eine Softie-Version von allem gezeigt wird. So wollen wir alle „Echt“ sehen, also zeigen wir sie so. Stört Euch das, wenn Ihr so eine Weichzeichnerei von Euch seht?
Flo: Das war mal eine Zeit lang unangenehm. Da gibt es ja auch Unterschiede. Wenn sie zum Beispiel schreiben „Der crazy, abgedrehte Kim sagt den Fans, wir lieben Euch!“, dann mag das nicht stimmen, aber es ist nichts Schlimmes. Wenn man allerdings falsch zitiert wird, dann ist das schon Scheiße. Dann wird auch mal auf den Tisch geschlagen.

Aber Ihr habt ja dieses Image, die „echte“ Teenieband zu sein, und davon kommt man ja auch nicht so leicht los. Wollt Ihr davon überhaupt weg?
Flo: Das ist halt in einem gewissen Rahmen das, was wir sind.
Kim: Dieses Bild macht man ja aber gar nicht selber.
Flo: Das sind Sachen, die kommen von außen. Die Leute brauchen eine Schublade und wenn Du ihnen die nicht lieferst, dann suchen sie sich eine aus. Und wir sind ja eine Teenieband. Wir sind ja auch Teenies.
Gunnar: Eine Teenieband wird ja aber vor allen durch das Alter der Fans charakterisiert und dann trifft das auch nicht mehr so ganz auf uns zu. Wir haben schon Teenie-Fans, aber halt auch viele andere.
Kim: Von Deinem Image kommst Du ja nicht einfach so los. Viele haben uns gefragt, wollt Ihr mit dem Album jetzt weg von Eurem Image und wir waren so „Was?“. Das geht ja gar nicht. Das entscheiden doch die Zuhörer. Das wäre ja ziemlich peinlich, wenn wir sagen würden, „mit diesem Album möchten wir endlich erwachsen werden und wir wollen ein anderes Publikum haben!“
Flo: Und das wäre auch unfair der Vergangenheit gegenüber. Wenn man sagt „Na endlich“, dann kommt das so rüber, als hätte man die ganze Zeit darauf gewartet.
Gunnar: So als ob man jetzt erwachsen ist und früher hat man sich Scheiße benommen und war kindisch.
Kim: Ich will überhaupt nichts verändern. Weder mein Image, noch erwachsener werden.
Flo: Das kommt von selber.
Gunnar: Ich mag wieder richtig Kind sein, aber so richtig klein, so ganz richtig klein-klein.
Kim: Das geht nicht, Gunnar!!
Flo: Dann gibt’s nur eine Lösung, Gunnar: Kinder machen!

 

Datum: 14.05.2002
Erscheinungsort: Vienna.at
Von: Susanne Jelinek