800 Fans kamen zur Autogrammstunde bei WOM. Die ersten kommen um halb zehn. Grell geschminkt, mit einem rosa Teddy im Rucksack und dem Autogrammbuch unterm Arm. Da ist es zwischen den CD-Regalen bei WOM in der Holstenstraße noch ruhig, gelassen sortieren die Mitarbeiter irgendwelche Platten ein. Dann aber, so gegen Mittag, kommt langsam Leben in die Bude: die Sanitäter mit den Wolldecken und der Trage rücken an, und die breitschultrigen Bodyguards beginnen, die ersten Absperrgitter aufzustellen. Spätestens jetzt steht für Iris (13) und Bianca (15) fest, dass dieser Tag „zumindest der Höhepunkt in den Herbstferien wird“. Noch vor drei Uhr nachmittags bricht in dem Plattenladen endgültig das Chaos aus: Mehr als 800 fast ausschließlich weibliche ECHT-Fans drängeln sich jetzt um die Regale, warten draußen vor der Glastür in langen Schlangen oder versuchen, die Ordner am Seiteneingang zu beschwatzen. Die meisten Fans bekommen ihre Idole an diesem Nachmittag gar nicht richtig zu sehen. Die Newcomer aus Flensburg stehen, selbst in eine Ecke gepfercht, hinter einem Tisch und schreiben Autogramme wie am Fließband. Schütteln Hände. Nehmen Liebesschwüre entgegen. Reichen Teddys, Briefe und beklebte Plakate nach hinten. Dazwischen stehen hilflos Väter, Mütter und warten, dass Töchter sich durch die stickige Luft nach vorne kämpfen. Wer nicht vorher schlapp gemacht hat und von den Sanitätern dann noch vor dem Ziel über die Absperrung gezogen wird, steht irgendwann vor den fünf Jungstars. Und bekommt neben der gekritzelten Unterschrift ins Autogrammbuch, auf die CD-Hülle, die Federtasche oder das T-Shirt mit etwas Glück auch ein Lächeln geschenkt. Das reicht den meisten Fans. „Und zeigt“, findet die 16jährige Wiebke, „dass die noch echt normal geblieben sind.“

Kaum Starallüren, dazu fünf Schuljungen-Gesichter und ein Manager, der nicht einer von diesen aalglatten Typen ist, sondern auch in einer Frittenbude arbeiten könnte: Das mögen die Fans. Und es ist – neben der Musik – das Erfolgsrezept der Gruppe. Warum auch sonst sollten die fünf Freunde immer wieder betonen, dass sie sogar Pickel haben. Und, wenn sie wollten und Zeit hätten, ihnen sogar eine Freundin erlaubt würde. „Die sind trotz ihres Erfolges noch immer welche von uns“, sagt Vivian (13). Nach der Autogrammstunde pilgern die Fans, meist zufrieden, weiter. Zum MAX, weil es auch dort wichtig ist, einen guten Platz zu ergattern. Und wenn Iris und Bianca es schaffen, auch wieder die ersten vor der Bühne zu sein, „dann haben wir es geschafft, einen ganzen Tag mit ECHT zu verbringen“. Und das wäre mehr als nur der Höhepunkt der Herbstferien.

Datum: 10.1998
Erscheinungsort: Kieler Nachrichten
Autor: Björn Stähler