Utopia: Wir begrüßen euch herzlich zu diesem Interview.
Kai: Schülerzeitungen sind meistens die besten. Erst heute Nachmittag hatten wir so ein ätzendes Interview mit so einer Pressetante. Ich hoffe, ihr habt gute Fragen.
Utopia: Das werden wir sehen. Fangen wir einfach mal an. Wie habt ihr euch kennengelernt?
Kai: Wir kennen uns schon so lange, das ist schon ein paar Jahre her.
Flo: 15 Jahre, um genau zu sein.
Kai: Wir kommen alle aus demselben Dorf, „ne Vorstadt von Flensburg.
Utopia: Wann habt ihr das erste Mal überhaupt zusammen gespielt?
Kai: Flo und ich hatten schon in der Unterstufe in einer Schülerband gespielt. Als die anderen drei in die fünfte Klasse kamen, sind wir bei der „Einschulungsfeier“ aufgetreten. Da die Jungs uns ja sowieso schon kannten, hat es sich so ergeben.
Flo: Ja, ab da waren wir “ne richtige Band und hatten mit Kim endlich jemanden dabei, der wirklich singen konnte.
Utopia: Seid ihr dann irgendwann entdeckt worden, oder habt ihr Demo-Tapes verschickt?
Flo: Das lief alles über Beziehungen ab. Wir kannten einen Oberstufenschüler und der konnte uns dann bei einer Plattenfirma einen Vertrag besorgen.
Kai: Das war der Hammer! Das erste Mal so im richtigen Studio!
Utopia: Wie kam es denn zum Namen „ECHT“?
Kai: Das ist auch so “ne ganz banale Geschichte: Unser Betreuer kann es gar nicht ab, wenn Leute immer „quasi“ sagen, oder wenn Leute immer fragen „echt?“. So haben wir uns überlegt, los lass uns ihm “ne kleine Freude machen und uns „ECHT“ nennen. Das musste alles furchtbar schnell gehen, denn wir wollten unsere erste Single rausbringen, aber uns fehlte der Bandname.
Flo: Dieses ganze Gequatsche von wegen „echter Band“ das kam erst später. Auch, dass der Name die Bedeutung von Natürlichkeit in sich trägt, haben sich irgendwelche schlauen Leute hinterher überlegt. (Zündet sich eine Zigarette an) Aber das interessiert uns heute nicht mehr.
Kai: Tja, wir sind multifunktional (Lautes Lachen von Flo), das war philosophisch.
Utopia: Wolltet ihr schon immer in der Musikbranche groß werden oder hattet ihr ganz andere Berufswünsche? Wenn ja, welche?
Kai: Nach der zehn war für uns alle klar, dass das Musikgeschäft richtig für uns ist.
Utopia: Und als ihr klein wart? Was wolltet ihr werden?
Kai: Absolut Astronaut!
Flo: Wie jeder andere auch, Frauenarzt! (Alles lacht) Was war da jetzt so lustig? Ist doch ganz normal, oder?
Utopia: Klar jeder will Frauenarzt werden!?
Flo: Jeder, nicht jede!!
Kai: Das gute bei uns war, dass wir keinen Druck hatten, uns nichts beweisen mussten. Wir konnten erst mal ausprobieren. Aber jetzt wissen wir, dass das, was wir machen, so richtig ist für uns. Bis jetzt läuft es so, wie man sich das erhofft.
Utopia: Wie war das für euch, als ihr auf einmal Personen der Öffentlichkeit wart, wie seid ihr mit dem Erfolg umgegangen?
Flo: Da muss ich euch enttäuschen. Wir sind absolut das falsche Beispiel für diese „Übernachtstars“. Das dauerte erst. Erst kamen so kleine Zeitungsberichte, dann auch Interviews oder Artikel in Musikzeitschriften. Unser Video lief bei VIVA auch nur selten. Unsere erste Single stieg auf Platz 70 in die Charts ein und war dort nach vier Wochen wieder verschwunden.
Kai: Das ist aber auch ganz gut, so ist man nicht überfordert, muss den Erfolg nicht weiterverteidigen. Das ist oft bei sogenannten „One-Hit-Wonders“. Die sind sofort Nr. 1, aber dann hört man nichts mehr von ihnen.
Utopia: Wie ist das, wenn man auf der Straße erkannt wird oder wenn einem die Girlies nachlaufen
Kai: Das kommt eigentlich so oft gar vor, wir sind keine typische „Boygroup“. Aber wenn es dann mal so ist, hat man da kein bestimmtes Gefühl, also ich jedenfalls nicht.
Flo: Das stimmt, das hängt auch sehr davon ab, wie sich diese Fans verhalten. Es sind ja nicht nur die Girlies. Oft sind es auch Jungs, die uns nur verarschen wollen.
Kai: Da kann es schon mal vorkommen, dass man ein wenig, wie soll ich das jetzt nett formulieren? Na ja, eben überreagiert, etwas ruppiger ist. Das hängt aber auch sehr von seiner eigenen Tagesform ab.
Utopia: Was hat sich denn alles in eurem Leben verändert? Seid ihr mehr gestresst?
Kai: Das kann man nicht beantworten. Das ist ein kompletter Bruch! Wäre besser gewesen, du hättest gefragt, was sich nicht verändert hat.
Utopia: OK, was hat sich nicht verändert?
Flo (lacht): Tja, so normale Sachen eben. Kai ist immer noch der älteste und kleinste. (Klopft ihm auf die Schulter)
Kai: Es fehlen mir persönlich meine alten Leidenschaften, die ich früher so ausleben konnte.
Flo: Z.B. Platten kaufen.
Kai: Ja, das ist son Faible von mir. Ich könnte das zwar heute auch noch machen, viel mehr sogar, vom finanziellen her gesehen. Aber das ist immer viel mit Stress verbunden. Auch vom zeitlichen geht das nur noch selten. Die Vorlieben sind eben geblieben, das hat sich nicht geändert. Bei Flo sind es die Filme.
Flo: Das ist auch “ne witzige Geschichte. Zu Hause hatte ich von meinen Eltern fast immer Fernsehverbot und daraus hat sich dann so “ne Anti-Reaktion gebildet. Ich hab Filme nur so reingezogen. Das kann ich jetzt auch nicht mehr einfach so.
Utopia: Fernsehverbot? Warst du denn zu Hause nicht lieb?
Flo: Nee, meine Eltern waren in der Beziehung einfach so, ließ sich nicht ändern.
Kai: Ich durfte auch nur selten fernsehen, schon komisch.
Utopia: Bleibt euch noch Zeit für eure Familien oder Freunde?
Kai: Für mich sind Freunde und meine Family lebensnotwendig. Sie sind mir super wichtig. Wir sehen uns zwar seltener, aber dafür sind die Treffen dann intensiver und schöner.
Flo: Manche Stars brauchen diese Schnelllebigkeit, sie brauchen keine Zeit für Familie. Bei mir ist das auf keinen Fall so. Dass ich meine Family so selten sehe, ist bei mir bestimmt keine Absicht. (Er packt ein Geschenk aus, das ihm Fans zum Geburtstag, den er im Juni feiern konnte, durch den Zaun gesteckt haben. Es ist ein grünes T-Shirt mit Aufdruck „DROGENFAHNDER“)
Kai (grinst): Boah, hübsch!!
Utopia: Und wirst du es heute Abend beim Konzert tragen?
Flo: Ich steh ja so gar nicht auf Logo-shirts. Aber die Mädels würden sich sicher freuen.
Kai: Dann ziehst du es unter dein Hemd und am Schluss gehst du nach vorne und reißt dein Hemd auf!
Flo: Mal sehen, es ist zwar nett gemeint, aber es bleibt hässlich.
Utopia: Das passt ja wunderbar zu unserer nächsten Frage. Wie wichtig sind euch eure Fans?
Flo: Fans sind absolut wichtig. Sie sind das Brot des Musikers!
Kai (muss sich das Lachen verkneifen): Spinner! Aber Recht hat er ja. Es gibt verschiedene Kategorien von Fans. Die Girlies und auch Jungs, die beim Konzert vorne stehen, kreischen und Geschenke auf die Bühne werfen, sind uns sehr wichtig. Bei ihnen merkt man so richtig die Leidenschaft, die dahintersteht.
Flo: Da gibt es aber auch die Art von Fans, die meinen, Musiker sind dazu da, um zugelabert zu werden. Also wenn so gar nichts hinter dem Gequassel steckt, dann können wir schon mal schnell gestresst sein.
Kai: Und hier an alle ECHT-Hasser! Versucht erst gar nicht, mir und Flo zu nahe zu kommen.
Utopia: Wie sollen wir das verstehen?
Flo (zündet sich die nächste Zigarette an und lacht los): Ihr müsst wissen, wir haben den gelb-weißen Gürtel im Taekwondo.
Kai: Gib mal nicht so an, großer Meister!
Flo: Ach man, nicht verraten! Na gut, also man fängt mit dem weißen Gürtel an, nach der ersten Prüfung bekommt man dann den gelb-weißen Gürtel.
Kai: Zurück zu eurer Frage. Also, wir sind eine Gruppe, zu der Fans gehören. Sie sind ein Teil von uns.
Flo: Ja und wir wollen mit unserer Musik auch niemanden ausschließen oder diskriminieren. Egal, welche Hautfarbe jemand hat, oder welchen Bildungsstand er hat, er ist trotzdem unser Fan.
Kai: Wir machen Musik für alle. Wir setzen uns mit unserer Musik auseinander. Wir haben sie schließlich selbst geschaffen.
Flo: Guckt euch mal die „No Angels“ an. Nicht, dass die schlechte Musik machen (Grinsen von Kai, Lachen von Seiten der Utopia). Nee komm, aussehen tun sie ja ganz gut. Das ist jedenfalls eine Band, die sich mit ihrer Musik nicht auseinandersetzt.
Utopia: Gibt es Dinge, die euch in der Musikbranche nerven?
Flo: Das sind Sachen, die man umgehen kann.
Kai: Als „Star“, wie das immer so schön heißt, hast du gewisse Zwänge. Du musst diese Vorbildfunktion haben.
Flo: Du sollst das sein, was du auf der Bühne oder in der Öffentlichkeit darstellst. Aber das kann man geschickt umgehen, muss man aber mit der Zeit erst lernen. Man darf sich nicht zu wichtig nehmen.
Kai: Du darfst dir nichts aufzwängen lassen, musst sehen, dass du auf keine schiefe Bahn kommst. Für die Öffentlichkeit sind solche Sachen nicht gedacht.
Flo: Das ist das traurige in der Branche, nach außen musst du die perfekte Reinheit verkörpern, z.B. darf man seine Freundin nicht zeigen bzw. nicht mal zugeben, dass man eine hat.
Kai: Auch die Medien sind sehr einseitig. Es wird eigentlich immer nur alles schlecht gemacht. Irgendwelche Ausrutscher (grinst Flo an, der grinst zurück) sind für die gefundenes Fressen.
Flo: Da fällt mir ein Beispiel ein. Xavier Naidoo wird so wegen seines christlichen Glaubens bewundert, auf der anderen Seite kifft er ohne Ende. Diese beiden Seiten werden nie zusammen beleuchtet, das ist das traurige.
Utopia: Habt ihr eine Vorstellung, wie lange ihr noch Musik machen wollt oder habt ihr schon konkrete Pläne für eure Zukunft?
Kai: Wenn das Ende für die Band absehbar ist, dann hören wir auch auf jeden Fall auf. Doch zurzeit ist noch kein Alarm.
Utopia: Und eure Zukunft? Wie sieht es mit Familienplanung aus? Man denkt doch mal daran.
Kai: Also, kommt für mich auf keinen Fall in Frage. Ich wollte noch nie selbst eine Familie gründen.
Flo: Also, ich möchte schon Familie haben.
Utopia: Hast du dir vielleicht ein bestimmtes Alter gesetzt, so mit 25, oder so?
Flo: Man, du hast es aber eilig, tickt bei dir schon die Uhr? Also ich hab mir da kein bestimmtes Alter gesetzt. Das sind Sachen, die kommen, wenn sie kommen. Auf jeden Fall muss die Verantwortung da sein. Und dafür brauche ich selbst noch Zeit.
Utopia: Habt ihr vielleicht mal an Solokarrieren gedacht?
Kai: Das kann für mich überhaupt nicht in Frage kommen. Soll ich mich mit der Gitarre auf die Bühne stellen?
Flo: Der Gesang ist auch mein Problem, ich singe schrecklich. Und ich als Drummer kann wohl kaum “ne Solokarriere starten.
Kai: Ich würd gerne bei Projekten mit anderen Künstlern mitmachen.
Flo: Vielleicht mal. Aber zurzeit zählt nur die Musik mit „ECHT“. Der musikalische Rahmen öffnet sich dann mit der Zeit.
Utopia: Wir befinden uns hier auf der Landesgartenschau, dem Highlight dieses Jahres in Oelde. Wie gefällt euch die LGS?
Kai: Also, wir haben noch nichts davon gesehen, zu wenig Zeit.
Utopia: Das würd ich euch aber ans Herz legen, auf jeden Fall ein bisschen rübergehen. Das Motto der Landesgartenschau lautet Blütenzauber und Kinderträume. Was waren eure Kinderträume?
Flo: Fliegen!
Kai: Bei mir auch, so im Flugzeug sitzen, die Welt mal aus einer anderen Perspektive sehen.
Flo: Ich meinte aber selber fliegen. Ich könnte meine Arme ausbreiten und flattern und dann so weit fliegen, wie ich möchte. Früher habe ich mich auf den Sandkastenrand gestellt und bin davon runtergesprungen. Da dachte ich, ich würde fliegen.
Utopia: Was haltet ihr von der Waldbühne? Ist sie für Konzerte geeignet?
Kai: So die Anlage mit den Bäumen finde ich sehr schön, aber dieser Betonklotz passt eigentlich nicht hierhin.
Flo: Von der Akustik finde ich sie auch nicht so toll. Auf der Bühne dröhnt es schon sehr, vor allem bei mir am Schlagzeug geht das auf die Ohren.
Kai: Aber ich glaube für die Zuschauer ist die Akustik sehr gut. Auch die Bühne von ihrer Größe her ist passend.
Utopia: Werdet ihr vielleicht noch mal wiederkommen?
Flo: Das schließe ich nicht aus. Aber es hängt von der Zeit ab, wie unser Terminplan so aussieht.
Kai: Erst mal sehen, wie wir heute Abend so ankommen. Wie die Fans hier so mitgehen.
Utopia: Wir sind eine Schülerzeitung, was sind eure ersten Gedanken, die euch an eure eigene Schulzeit kommen?
Kai: Also ich hatte so einen grässlichen Deutschlehrer! Dem würd ich alles wünschen. Na ja, Tod oder Krankheiten sind gemein.
Flo: Wie wär‘s mit dem Tod seiner Frau?
Kai: Nee, auch zu gemein. Ich wünsche ihm, dass er … nicht mehr lesen kann.
Utopia: Ja, solche Deutschlehrer kennen wir nur zu gut. Wie war‘s bei dir, Flo?
Flo: Ich hab die Schule gehasst. Ich war ein miserabler Schüler. Bin froh, dass ich wenigstens meinen Abschluss geschafft hab. Meine Lehrer waren alle scheiße! Ich sage, dass man in der Schule nichts für‘s Leben lernt, jedenfalls weniger als behauptet.
Kai: Ich finde, Lehrer sollten jedes Jahr geprüft werden.
Flo: Meiner Meinung nach sind alle Lehrer schlecht, die mit dem nächsten Satz nichts anfangen können und sich darüber aufregen. Lehrer sind absolute Asis, die bei manchen Schülern einen inneren Schaden hervorrufen.
Utopia: Ziemlich harte Töne. Kommen wir nun zu unserer Standardfrage am TMG. Welche 3 Dinge würdet ihr auf eine einsame Insel mitnehmen?
Kai: Einen Apfelbaum, ein Glas, das nie leer wird und noch eins.
Flo: Das ist ja schon nicht mehr zu toppen. (Überlegt angestrengt) Eine Schaufel, ein Stück Kreide und einen Hut, warum weiß ich nicht, ist mir nur so eingefallen.
Utopia: Wir bedanken uns recht herzlich für das Interview und wünschen euch noch viel Spaß in Oelde, vor allem beim Konzert.
Datum: 08.2001
Erscheinungsort: Utopia
Von: Stefanie Henne, Barbara Menke