Die Doofen müssen draußen bleiben? Schon ganz schön pfiffig, eine Konzertreihe als „Abi Tour“ anzukündigen, Jungs! Und bei einem Eintrittspreis von 38 Mark wunderts denn auch nicht, dass die Aula des Modernes nicht voll geworden ist. Na, so siebenhundert waren wohl da. Lauter nette Leute mit Grips. Als die Saalbeleuchtung ausging, wurde auch jenen über 18 klar, wo sie sich befanden: Kreischende Mädchen, obwohl die Band noch gar nicht auf der Bühne stand. Einige sangen „We are the Champions!“ Nanu?
Jo, und dann traten Kim & Co an, uns von der Liebe und dem Alltag zu berichten. Die Mädchen sind begeistert. Die Musik kommt auch ganz gut, wobei man sich aber spätestens nach dem dritten Titel wünscht, dass Echt mal richtig losrockt…
Hach, die Sehnsucht – spielt natürlich bei Echt eine große Rolle. Nur wonach, wird nicht ganz deutlich, und das ist vielleicht das Geheimnis ihres Erfolgs. Teenies mögen das: „Wie geht es diir sooo- was macht das Leben danaaach? Ich wollt auch gar nicht stööörn!“ Tust du auch nicht, Kim, aber würdest du doch bitte nicht jede Endsilbe einer Textzeile so gnadenlos in die Länge ziehen. Beinhart wird“s ebenfalls, wenn der Keyborder Melodien spielt. Die könnten jenen Spieluhren mit Zugschnur über Babybettchen entklingen. Er sollte sich dieses Talents bewusstwerden, für die Zeit nach Echt- bzw. nach Kim. „Alles wird sich ändern wenn ich groß bin…“
Jener, der im Fernsehen immer Brille trägt, und dessen Papi wohl wirklich nichts dazubezahlen musste, verdutzt uns doch häufig mit recht erwachsen daherkommenden verbalen Resümees, und verfällt gelegentlich in das Vokabular eines Minnesängers: „Du trägst keine Liebe in dir“, oder „…der Regen, der von deiner Oberlippe perlt“, „…unsere Liebe ist am Boden“ etc.. War Papi in den 70ern vielleicht ein Liedermacherfan und hat Kim Fielmann beim Texten geholfen?
So what – die Stimmung ist gut, die Snare zu laut, die Mädchen textsicher oder am Kreischen. Bei den Zugaberufen halten sich sogar die hartgesottenen Tresenkräfte die Ohren zu und grinsen sich an. Ansonsten war’s für die Serviceleute ein netter Abend, weil sich die Eintritt zahlenden Micky Mäuse nichts mehr leisten konnten. Als Kim „Junimond“ von Rio Reiser singt, muss er an seine Mutter gedacht haben, oder er hat den Text nicht verstanden. So, nun ist auch genug… . Für Echtfans ist es auf jeden Fall ein super Konzert gewesen!
Datum: 15.11.2001
Erscheinungsort: taz
Autor: Carl-Heinz Otto Schäfer