„Taliban, wo ist das denn?“ Äußerungen des Echt-Sängers sorgen für Wirbel.
Zwei Themen bewegten die Hamburger in den vergangenen Wochen: die Terrorakte in den USA und die Bürgerschaftswahl. Doch an einem Mann gingen diese Ereignisse scheinbar völlig vorbei: Kim Frank (19), Sänger der bis dato umschwärmten Popgruppe Echt. Mittwochnacht hatte der bubigesichtige Star in der Harald-Schmidt-Show verlauten lassen, er sei nicht zur Wahl gegangen.
Auch die weltpolitische Lage schien ihn eher peripher zu tangieren: „Taliban? Ich weiß noch nicht mal, wo das ist . . .“ Kein Wunder, dass eine Zeitung am Freitag fragte: „Wie dumm darf ein Popstar sein?“. Oder war am Ende alles nur ein PR-Gag, um das dritte Album der Gruppe zu bewerben, das am 8. Oktober erscheinen soll? In gemütlicher Frühstücksrunde im Caf? Saal II zeigten sich Kim, Gitarrist Kai (21), Schlagerzeuger Florian (20), Bassist Puffi (20) und Keyboarder Gunnar (19) erstaunt über den Wind, den die Äußerungen ihres Sängers verursachten. „Manche Leute wissen nicht, wer John Lennon ist, ich kenne halt ein paar Politiker nicht“, sagte Kim im Abendblatt-Interview. „Die Politik betrifft mich doch eh nicht.“ Dass allerdings einer seiner Stammclubs, die „Rote Flora“, unter dem neuen Senat möglicherweise geräumt und abgerissen wird, erstaunte ihn doch. „Na ja, dann gehn wir halt woanders hin.“ Äußerungen, die den 1996 verstorbenen Protestsänger Rio Reiser (Ton Steine Scherben) wohl im Grab rotieren lassen. Mit der Coverversion seines Liedes „Junimond“ sahnte das Quintett im vergangenen Jahr kräftig ab. Erst am Donnerstag rezitierte Kim Frank in der Premiere des wöchentlichen „Lesezirkel“ von Benjamin von Stuckrad-Barre auf dem Musiksender MTV aus dem Tagebuch des Sängers. „Von seinen politischen Aktivitäten wusste ich nichts, ich hab bloß die Platte jeden Tag gehört“, erklärt Kim seinen Bezug zu Reiser. Und Kollege Kai ergänzt: „Wir sehen das nicht pathetisch, sondern finden die Musik einfach gut.“ Gesellschaftskritische Texte will Echt auch in Zukunft nicht schreiben. Sie liefern lieber Songs, die laut Eigenwerbung der Band „beim Großwerden anderer, beim ersten Knutschen und beim Artikulieren der eigenen Befindlichkeit begleiten.“ Mehr als Knutschen interessiert Jugendliche also nicht? Florian: „Wir bedienen doch nur einen Teilausschnitt.
Wie lange sie das noch fortführen können und wollen, bleibt offen: „Warum sollen wir nicht unser Leben lang Gitarrenpop machen können, guck Dir doch die alten Säcke von den Rolling Stones an“, sagt Gunnar. Aber wer verplant mit 19 Jahren schon sein Leben. Erst mal kommt jetzt die neue CD „Recorder“, für die die Band erstmals alle Texte schrieb und die Songs in Eigenregie vorproduzierte. Ob das Album allerdings an vergangene Erfolge anzuknüpfen vermag, bleibt abzuwarten. Die erste Single-Auskopplung „Wie Geht Es Dir So?“ krebst in den Charts nach nur vier Wochen auf Platz 93 herum (höchste Platzierung war Position 77). „Damit steht auch die geplante Tour im kommenden Jahr in den Sternen“, fürchtet Florian, „schließlich muss ja auch irgendwer die Konzerthallen füllen.“ Für den Fall jedoch, dass Echt die Fans davonlaufen, hat Kim schon eine Alternative parat: „Dann werd ich eben Bundeskanzler.“
Datum: 29.09.2001
Erscheinungsort: Hamburger Abendblatt
Autor: Ina Zimmermann